In der Corona-Situation sind Seelsorgende oft die einzigen Besucher und Besucherinnen für Inhaftierte. Alfredo Díez erzählt von den Sorgen hinter Gittern. Aufgezeichnet von Lea Burger, srf.
Im Rahmen der Sendung “Zwischenhalt” im srf wurde Alfredo Díez interviewt.
Soziale Kontakte sind im Gefängnis ohnehin eingeschränkt. Nun sind auch Besuche von Angehörigen nicht erlaubt. Zudem gibt es Einzelhaft, wenn ein Inhaftierter einer Risikogruppe angehört. Das bedeutet: 23 Stunden allein in der Zelle, eine Stunde spazieren im Hof – mit genügend Abstand, versteht sich.
«Wenn ein Mensch in Haft kommt, bricht vieles ab: der regelmässige Kontakt zu den Angehörigen, die Arbeitsstelle, Freunde gehen auf Distanz», erzählt Gefängnisseelsorger Alfredo Díez.
Jetzt komme hinzu, dass viele nicht wüssten, wie es ihren Liebsten während der Pandemie gehe. Sei es, weil die Familie im Ausland lebe oder die Kommunikation zu ihnen erschwert sei.
Sorgen um die Liebsten «draussen»
Kürzlich habe Pfarrer Díez mit einem Inhaftierten geredet, der sich Sorgen um seine betagten Eltern in Spanien machte. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft – dort ist Telefonieren nicht erlaubt. Briefwechsel ist wegen der behördlichen Kontrollen oft mühsam.
«Die Leitung des Untersuchungsgefängnisses hat aber Verständnis für diese aktuell spezielle Situation», sagt Alfredo Díez. Der Staatsanwalt habe eine ausserordentliche Telefonerlaubnis erteilt, sodass der Spanier doch noch seine Eltern kontaktieren konnte. «Ihn hat das beruhigt und mich sehr gefreut» sagt Alfredo Díez.
Angst hätten die Inhaftierten aber auch um sich selbst. Gefängnismitarbeitende könnten das Corona-Virus ins Gefängnis bringen. Andere wiederum fühlten sich durch die Gefängnismauern geschützt, berichtet der Gefängnisseelsorger.
Seelsorge trotz Trennscheibe
Normalerweise kann er sich im Gefängnis frei bewegen. Alfredo Díez oder die anderen Seelsorgenden suchen die Inhaftierten auf, kommen en passant mit ihnen ins Gespräch.
Dieser niederschwellige Zugang ist im Moment nicht möglich. Seelsorgegespräche finden mit Trennscheibe und nur dann statt, wenn sich jemand anmeldet. «Das ist schade», findet Alfredo Díez, «weil sich zum Beispiel jemand mit Suizidgedanken wohl kaum aktiv bei uns meldet.»
So sei die Gefängnisseelsorge aktuell besonders auf die Aufseherinnen und Aufseher angewiesen, damit die seelsorgerische Betreuung gut funktioniere: «Sie achten auch auf den psychischen Zustand der Insassen», erzählt Seelsorger Díez und ergänzt: «Bekomme ich einen Hinweis, dann bitte ich das Personal, den Insassen in den Gesprächsraum zu bringen.»
Einzige Vertrauensperson
Nebst den Seelsorgern kommen für vertrauliche Gespräche einzig noch Anwältinnen ins Gefängnis. Sie konzentrieren sich wohl eher auf das Verfahren als auf seelische Nöte.
«Auch unsere Gespräche unterliegen der Schweigepflicht. So entsteht ein besonderes Vertrauen», sagt Alfredo Díez. Ein Mann könne im Seelsorgegespräch leichter erzählen, dass er etwa seine Frau und Kinder vermisse – leichter, als gegenüber einem Mitinsassen oder einer Aufseherin.
«Wenn ich einen Insassen dann frage, ob ich für seine Familie beten darf, kann das für Einzelne sehr befreiend sein», erzählt Alfredo Díez.
Auch in der Isolation da sein
Der Gefängnisseelsorger wurde kürzlich selbst auf das Corona-Virus positiv getestet. Unterdessen ist er genesen. Das habe durchaus Vorteile, sagt Alfredo Díez: «Weil ich nun Antikörper habe, stecke ich mich wohl nicht mehr an. Ich kann also diejenigen Inhaftierten besuchen, die sich allenfalls mit Covid-19 angesteckt haben».
Diese Menschen würden isoliert werden. «Sie in dieser Isolation weiterhin begleiten zu können, ist mir ein grosses Anliegen», hält der Gefängnisseelsorger fest.