Macht und Ohnmacht im Knast. Bericht von der 70. Alpenländer-Tagung

GefängnisseelsorgerInnen aus der Schweiz, aus Österreich und aus Bayern trafen sich vom 23. bis zum 26. Juni zur 70. Alpenländer Tagung im Gästehaus des Klosters Bethanien in St. Niklausen bei Kerns. Das Treffen in diesem internationalen Format hat eine langjährige Tradition. Fast 50 SeelsorgerInnen des Dreiländerecks kamen ins Gespräch über ihren Dienst im Gefängnis. Die Dialekte sind unterschiedlich, aber die Arbeitsfelder hinter den Mauern sind ähnlich. «Macht und Machtstrukturen» war das Thema dieser Tagung.

Organisiert wurde das viertägige Treffen vom Schweizerischen Verein für Gefängnisseelsorge. Deren Präsident, Alfredo Diez, und Vizepräsident Andreas Beerli dankten in ihren Grussworten den katholischen und reformierten Kantonalkirchen für die grosszügige Unterstützung des Anlasses. Bischof Joseph Maria Bonnemain, der als ehemaliger Spitalseelsorger die «Spezialseelsorge» sehr gut kennt, würdigte die Arbeit der Gefängnisseelsorger. Catherine Berger, Juristin und Vizepräsidentin der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, fragte in ihrem Grusswort explizit nach einem möglichen spirituellen Machtmissbrauch. In den Reigen der Grussworte reihten sich auch Alois Vogler, Präsident vom Kirchgemeindeverband Obwalden, sowie Vertreter der Gefängnisseelsorge aus Österreich und Bayern.

Macht, Ohnmacht und Machtmissbrauch

In seinem Referat «Die Tat als Macht- und Ohnmachtserfahrung» führte Professor Reinhard Haller, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Gerichtsgutachter, aus, dass Kränkungen eine Vorstufe für Taten seien.

Was Macht- und Ohnmachtsgefühle für den Justizvollzug heissen kann, erläuterte die Direktorin der Zürcher Untersuchungsgefängnisse, Nathalie Dorn. Das von ihr vorgestellte Projekt «Prisma», in dem Untersuchungshäftlinge freiwillig online mit einem Coach sprechen können, solle Ohnmachtsgefühlen entgegenwirken. Die Sozialarbeiterin, Ivana Mehr, stellte das von der Gefängnisseelsorge initiierte Projekt «infoBUS» für Angehörige von Inhaftierten vor.

Stefan Loppacher, Leiter der Dienststelle Missbrauch der Schweizer katholischen Kirchen, informierte über den Machtmissbrauch von kirchlichen Mitarbeitenden am Beispiel der katholischen Kirche. In deutlichen Worten prangerte er den «Tunnelblick» des kirchlichen Denkens an und forderte ein Umdenken, namentlich im klerikalen Amtsverständnis. Loppacher betonte gleichfalls die Gefahr des spirituellen Missbrauchs in der seelsorgerlichen Begleitung von Menschen.

Zum Rahmenprogramm der Tagung gehörten auch ein Besuch der Justizvollzugsanstalt Grosshof in Kriens, ein Stadtrundgang durch Luzern und eine traumhafte Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Selbstverständlich war auch ein Besuch des nahegelegenen Flüeli Ranft, dem Wirkungsort des heiligen Bruder Klaus, Teil des Programms.

Bild von der Eröffnung der Alpenländertagung (von links nach rechts):

Andreas Beerli, Vizepräsident des Schweizerischen Vereins für Gefängisseelsorge, Präsident Alfredo Diez, Bischof Joseph Maria Bonnemain, Catherine Berger, Vizepräsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, Alois Vogler, Präsident des Kirchgemeindeverbandes Obwalden, Mario Kunz aus Bayern sowie Markus Fellinger aus Österreich.

Foto: Andreas Gäumann